Wenn das Immunsystem den eigenen Körper angreift

Menschen besitzen ein hochkomplexes und umfangreiches Abwehrsystem – das Immunsystem – gegen fremde Strukturen wie Bakterien oder Viren. In seltenen Fällen kann dieses jedoch nicht mehr zwischen fremden und körpereigenen Strukturen unterscheiden; es kommt zu einer sogenannten Autoimmunerkrankung, bei der Zellen oder Eiweiße (Proteine) des Immunsystems körpereigenes Gewebe angreifen. Im Fall von schweren Verläufen, wenn z.B. Nervenzellen direkt attackiert und geschädigt werden, kann eine extrakorporale Blutreinigung notwendig werden.
nervenzelle wird von autoantikörpern angegriffen

Was versteht man unter Autoimmunerkrankungen?

Das Abwehrsystem des Menschen schützt den Organismus vor äußeren Einflüssen wie Viren, Bakterien oder Fremdstoffen. Dies geschieht mit Hilfe von speziellen Proteinen, den sogenannten Antikörpern und Abwehrzellen, die das Immunsystem bereitstellt.

Der Begriff Autoimmunerkrankung umfasst Krankheiten, bei denen das Immunsystem falsch reagiert. In einigen Fällen  kommt es dabei zur Bildung sogenannter Autoantikörper, die sich gegen körpereigene Zellen und Proteine richten. Das Abwehrsystem erkennt somit eigenes Gewebe als Fremdkörper und greift es an. Je nach Art der Erkrankung sind unterschiedliche Strukturen betroffen – zum Beispiel bei Multipler Sklerose die Nervenzellen, bei rheumatoider Arthritis wiederum die Gelenkinnenhaut.

Mit der Immunadsorption Autoantikörper gezielt entfernen

Patienten, die an schweren Formen von Autoimmunerkrankungen mit Bildung von Autoantikörpern leiden und bei denen herkömmliche Therapien nicht mehr wirken, ist die Tryptophan-Immunadsorption, das Verfahren der DIAMED, wirksam und bewährt. Sie entfernt gezielt Autoantikörper und der Patient erhält sein eigenes, gereinigtes Blut zurück. Die Immunadsorption wird zur Behandlung zahlreicher Krankheitsbilder im Akutbereich eingesetzt.

bei patientin werden autoantikörper entfernt

Hierzu zählen unter anderem:

  • Multiple Sklerose
  • Autoimmune Enzephalitiden
  • Guillian-Barré-Syndrom (GBS) und die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP)
  • Myasthenia gravis
  • Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen (NMOSD)
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Stiff-Person-Syndrom
  • Lambert-Eaton-Syndrom

Dank Immunadsorption wieder atmen können

Alina S. leidet seit Jahren unter einer Myasthenie – einer Muskelschwäche, die teilweise so ausgeprägt war, dass sie weder laufen noch essen konnte. Nach jahrelangen erfolglosen Therapieversuchen und zahlreichen Monaten auf der Intensivstation, brachte die Immunadsorption endlich den gewünschten Erfolg. Mittlerweile geht es ihr wieder besser und sie ist Mutter einer gesunden Tochter.

Dank Immunadsorption wieder atmen können

Wie funktioniert die Immunadsorption?

Die Tryptophan-Immunadsorption, auch Immunapherese genannt, ist ein etabliertes Verfahren, das der Blutreinigung außerhalb des Körpers dient. Über einen Gefäßzugang wird das Blut langsam und kontinuierlich entnommen. Zunächst kommt es zur Trennung der Blutbestandteile in Zellen und Blutflüssigkeit (Plasma). Das Plasma wird nach der Trennung von den Blutzellen mithilfe eines Adsorbers (Tryptophan-Adsorber Immusorba® TR-350) „gereinigt“.

Dieser hält die Antikörper des Abwehrsystems und damit auch die Autoantikörper gezielt zurück – Experten bezeichnen dies auch als „Adsorption“. Anschließend erhält der Patient das so gereinigte Blut zurück.

Die Tryptophan-Immunadsorption ist eine Behandlungsalternative und -ergänzung zu herkömmlichen Therapien spezieller Autoimmunerkrankungen. Eine Immunadsorption dauert in der Regel zwei bis drei Stunden. Die Behandlungshäufigkeit richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung und nach dem Schweregrad. Meist führen Ärzte eine Serie von fünf bis acht Immunadsorptionen innerhalb von acht bis 14 Tagen durch.

Die Immunadsorption wird in Kliniken angewandt, wenn sich die Krankheit akut verschlechtert. In sehr seltenen Fällen kann sie bei ausgewählten Autoimmunerkrankungen als chronische Dauertherapie zum Einsatz kommen.

fliessschema der immunadsorption

Schematische Darstellung der Immunadsorption

Über einen Gefäßzugang fließt das Blut über ein Schlauchsystem in den ersten Filter, den Plasmaseparator Plasmaflo OP (rot). Dort wird das Plasma (gelb) von der zellreichen Fraktion des Blutes getrennt. Dieses Plasma enthält die Antikörper. Diese Antikörper werden nun in einem Adsorber, dem Immusorba TR-350, zurückgehalten. Das „gereinigte“ Plasma wird im Anschluss mit der zellreichen Fraktion des Blutes vereinigt. Der Patient erhält sein eigenes, „gereinigtes“ Blut zurück (blau). Die gesamte Behandlung läuft kontinuierlich über ca. zwei bis drei Stunden.

Immunadsorption: Wirksam bei Multipler Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung der Nerven, die individuell sehr unterschiedlich verlaufen kann. Meist ist sie durch einen schubartigen Verlauf gekennzeichnet. Sie kann aber auch chronisch fortschreiten.

Die Krankheit betrifft das zentrale Nervensystem (ZNS). Bei einigen Verlaufsformen der MS werden Autoantikörper vermutet, die Nervenzellen attackieren. Ärzte unterscheiden, je nach der Ursache der ZNS-Schädigung, verschiedene MS-Subtypen. Die Immunadsorption ist bei schweren Schüben, bei denen Kortison nicht wirkt, eine Therapieoption. Rund die Hälfte der MS-Patienten sind nach einer Immunadsorption wieder mobiler.

frau mit ms läuft auf krücken

Einsatz der Immunadsorption bei autoimmunen Enzephalitiden

Autoimmune Enzephalitiden sind Entzündungen des Gehirns, bei denen Antikörper gegen Proteine im Gehirn nachweisbar sind. Ein Beispiel für ein derartiges Protein ist der NMDA-Rezeptor, der im Gehirn bei der Signalübertragung eine wichtige Rolle spielt. Sind Antikörper gegen diesen Rezeptor vorhanden, sprechen Ärzte von einer Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Die Erkrankung ist u.a. durch schwere psychische Symptome wie Halluzinationen, durch epileptische Anfälle und schwere Bewusstseinsstörungen gekennzeichnet. Abhängig von der Art der Autoantikörper kann eine kombinierte Therapie mit Steroiden und der Immunadsorption eine rasche und deutliche Verbesserung bewirken.

periphere nerven beim guillian-barree-syndrom

Immunadsorption bei Guillian-Barré-Syndrom und CIDP

Das Guillian-Barré-Syndrom (GBS) ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, bei der sich Autoantikörper gegen die Isolierschicht der Nerven (die sogenannte Myelinscheide) richten, z.B. in den Armen und Beinen. Als Folge sinkt die Leitgeschwindigkeit der betroffenen Nerven immer weiter ab. Nach und nach kommt es zum vollständigen Funktionsverlust. Patienten leiden unter Lähmungserscheinungen, die oft in den Beinen beginnen und in schweren Fällen auch die Atmung betreffen können.

Die CIDP (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie) wird auch als die chronische Form des Guillian-Barré-Syndroms bezeichnet. Die Tryptophan-Immunadsorption kann bei Patienten mit GBS und CIDP die Beschwerden erheblich verbessern. Sie ist zudem gut verträglich. Die Immunadsorption kann außerdem bei Patienten mit CIDP als Akuttherapie, in seltenen Fällen auch als ambulante Dauertherapie, eingesetzt werden.

Effektiv auch bei Myasthenia gravis

Bei der schweren Muskelschwäche, auch als Myasthenia gravis bezeichnet, richten sich Autoantikörper gegen Rezeptoren des Botenstoffes Acetylcholin. Die Rezeptoren befinden sich an der motorischen Endplatte, der Verbindungsstelle zwischen Nerv und Muskelgewebe. Die Autoantikörper bewirken, dass Reize von den Nerven auf die betroffenen Muskelgruppen nicht mehr übertragen werden. Als Folge sind die Muskeln nicht mehr erregbar und das Gehirn kann sie nicht mehr ansteuern. Es kommt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen.

Mit der Immunadsorption können diese Autoantikörper während einer akuten Krise schnell abgesenkt werden. Die Beschwerden von Patienten verbessern sich rasch. In sehr seltenen Fällen wird die Immunadsorption dauerhaft durchgeführt.

Wir empfehlen Ihnen grundsätzlich, Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin zu halten.

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Fragen und Antworten zur Immunadsorption

Bei welchen Erkrankungen kann eine Immunadsorption durchgeführt werden?

Die Immunadsorption ist bei schweren Erkrankungen eine Therapieoption, bei denen sogenannte Autoantikörper im Blut eine wesentliche Rolle spielen. Hierzu zählen beispielsweise die Multiple Sklerose, Myasthenia gravis, Autoimmun-Enzephalitis, das Guillian-Barré-Syndrom oder die CIDP.

Wann wird eine Immunadsorption durchgeführt?

Die Immunadsorption wird bei akuten schweren Erkrankungen oder Schüben der Erkrankung durchgeführt, wenn Medikamente nicht ausreichend oder nicht schnell genug wirken. Hierzu gehören der akute Schub einer Multiplen Sklerose oder die myasthene Krise. Bei einigen Erkrankungen wie der CIDP oder Myasthenia gravis kann die Immunadsorption in sehr seltenen Fällen auch als regelmäßige Dauertherapie durchgeführt werden.

Ersetzt die Immunadsorption Medikamente oder andere therapeutische Maßnahmen?

Ihre Medikamente müssen Sie nach Entscheidung Ihres behandelnden Arztes weiter nehmen – bei chronischen Erkrankungen auch über die Behandlung mit der Immunadsorption hinaus. Fragen Sie in jedem Fall Ihren behandelnden Arzt.

Kann die Immunadsorption auch in der Schwangerschaft durchgeführt werden?

Bei einem akuten Schub der Multiplen Sklerose liegen klinische Erfahrungen zur Immunadsorption bei Schwangeren vor. Bitte sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.

Wo wird die Immunadsorption durchgeführt?

Die Immunadsorption ist ein Blutreinigungsverfahren, das in der Regel in Fachabteilungen von Kliniken und Krankenhäusern sowie spezialisierten Apheresezentren durchgeführt wird. Die Experten des Apherese ForschungsInstituts beraten Sie gerne.

Wie lange dauert eine Immunadsorption?

Eine einzelne Behandlung dauert etwa zwei bis drei Stunden.

Wie wird die Immunadsorption durchgeführt?

Die Immunadsorption wird in akuten Situationen stationär im Krankenhaus durchgeführt. Eine regelmäßige Dauerbehandlung, zum Beispiel bei einer CIDP oder bei Myasthenia gravis, kann auch ambulant durchgeführt werden.

Wie häufig muss die Immunadsorption durchgeführt werden?

Bei akuten Erkrankungen oder Schüben hängt dies von Art und Schwere der Erkrankung ab. Meist wird mit einer kurzen Serie von Behandlungen über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen therapiert. Bei der Multiplen Sklerose werden zum Beispiel in der Regel zunächst fünf bis sechs Immunadsorptionen innerhalb von zwei Wochen durchgeführt. Je nach individuellem Ansprechen auf die Behandlung kann das Therapieschema jedoch variieren. Eine regelmäßige Dauerbehandlung bei einer CIDP oder bei Myasthenia gravis kann zum Beispiel wöchentlich erfolgen.

Werden die Kosten der ambulant durchgeführten Immunadsorption von den Krankenkassen übernommen?

Im Falle einer regelmäßigen Dauerbehandlung muss die Erstattung individuell geklärt werden beispielsweise bei einer CIDP oder Myasthenia gravis. Näheres hierzu erläutert Ihnen der spezialisierte Arzt. Die Experten des Apherese ForschungsInstituts beraten Sie gerne.